Art 94 [Zusammensetzung und Wahl des Staatsgerichtshofs] bisher Art. 130

     (1) Der Staatsgerichtshof besteht aus hauptamtlichen Mitgliedern.

     (2) Die Richter werden vom Landtag auf acht Jahre gewählt. Wählbar ist jeder hessische Bürger, der die Befähigung zum Richteramt hat. Bei der erstmaligen Anwendung dieses Artikels scheidet mindestens die Hälfte der Mitglieder, die durch das Los bestimmt werden, nach vier Jahren aus. Wiederwahl ist nicht zulässig.

     (3) Das Nähere über die Bildung des Staatsgerichtshofs, das Verfahren vor ihm sowie über die Vollstreckung seiner Entscheidungen bestimmt das Gesetz, welches, sofern es vom Landtag beschlossen wird, der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder bedarf.
 

Begründung:
Zu Absatz 1:
Bisher gibt es in Hessen nur nebenamtliche Mitglieder des Staatsgerichtshofs, und zwar gemäß Art. 130 HV insgesamt elf Personen. Wir schlagen vor, den Staatsgerichtshof hauptamtlich zu besetzen, die Zahl der Mitglieder aber der Regelung durch den einfachen Gesetzgeber zu überlassen, um die Größe des Gerichtshofs dem Geschäftsanfall flexibel anpassen zu können.

Der Staatsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung nur geringe Bedeutung erlangt und durch starke Zurückhaltung wesentlich dazu beigetragen, daß die Hessische Verfassung mehr an Bedeutung verloren hat als aus Gründen der Integration unvermeindbar war. So bleiben Grundrechtsklagen fast ausschließlich erfolglos, weil der StGH keine eigenständige Grundrechtsjudikatur entwickelt hat und nur im Falle offensichtlicher Willkür Rechtsschutz gewährt. Es entspricht gesicherter Erkenntnis der Organisationssoziologie, daß ein hauptamtlich besetztes Gremium die Neigung entwickeln wird, wesentlich offensiver die hessische Eigenstaatlichkeit und Verfassungshoheit zu wahren und zur Geltung zu bringen, um seine eigene Daseinsberechtigung unter Beweis zu stellen. Eine Verfassungsreform mit dem Ziel, der Eigenstaatlichkeit der Länderebene stärkeres Gewicht zu verschaffen, kommt deshalb an einer Professionalisierung des Staatsgerichtshofs nicht vorbei.

Die Besetzung des Staatsgerichtshofs mit hauptamtlichen Richtern ist auch durch den in diesem Entwurf vorgesehenen Zuwachs an Aufgaben gerechtfertigt (vgl. Art. 98).

Schließlich würde ein hauptamtlicher Staatsgerichtshof, der eine eigenständige Grundrechtsjudikatur entwickelt, auch zu einer Entlastung des BVerfG führen. Dort hat die Überlastung inzwischen ein Ausmaß angenommen, das ein Verfassungsrechtsschutz in vielen Bereichen praktisch nicht mehr gewährleistet werden kann, weil die Entscheidungen nicht mehr von den dazu berufenen Verfassungsrichtern, sondern von den wissenschaftlichen Mitarbeitern getroffen werden (vgl. Fundstelle). Wenn der Hessische Staatsgerichtshof die Tätigkeit der hessischen Landesbehörden in größerem Umfang und intensiver am Maßstab hessischen Verfassungsrechts kontrolliert, kann dies in vielen Fällen den Gang zum Bundesverfassungsgericht entbehrlich machen.

Die Einrichtung eines öffentlichen Klägers, wie er in Art. 130 Abs. 1 Satz 2 HV vorgesehen ist, erscheint uns entbehrlich. Der Landesanwalt ist eine Behörde, die sich nicht bewährt hat. Er erschwert nur die Kommunikation zwischen dem Gerichtshof und den Behörden, deren Handlungen zu überprüfen sind.

Zu Absatz 2:
Die Richter am Staatsgerichtshof werden vom Landtag gewählt. Eine Wahl durch einen Wahlausschuß des Landtages ist mit dieser Regelung unvereinbar. Der Landtag ist frei in der Auswahl der Kandidaten. Die juristische Qualifikation wird durch die Befähigung zum Richteramt (2. juristisches Staatsexamen) sichergestellt. Satz 2 stellt sicher, daß nicht alle Mitglieder des Gerichtshofs gleichzeitig ausscheiden. Damit soll die Kontinuität der Rechtsprechung gesichert werden.

Zu Absatz 3:
Um der politischen Mehrheit im Landtag nicht die Möglichkeit zu geben, sich durch entsprechende Gestaltung des Gesetzes über den Staatsgerichtshof dessen Kontrolle zu entziehen, bedarf dieses Gesetz der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages, es sei denn, das Gesetz wird im Wege der Volksgesetzgebung erlassen.

Kompatibilität:
Kein Widerspruch zu höherrangigem Recht

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© by Arbeitsgruppe "Schöne Aussicht" 1998