Art. 93 [Berufung der Richter] bisher Art. 127

     (1) Die hauptamtlichen Richter werden auf Lebenszeit berufen.

     (2) Auf Lebenszeit berufen werden Richter, wenn sie nach ihrer Persönlichkeit und ihrer bisherigen Tätigkeit die Gewähr dafür bieten, daß sie ihr Amt im Geiste der Demokratie und des sozialen Verständnisses ausüben werden.

     (3) Erfüllt ein Richter nach seiner Berufung auf Lebenszeit diese Erwartungen nicht, so kann ihn der Staatsgerichtshof auf Antrag des Landtages oder der Landesregierung seines Amtes für verlustig erklären und zugleich bestimmen, ob er in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen oder zu entlassen ist. Während des Verfahrens ruht die Amtstätigkeit des Richters.

     (4) Über die vorläufige Anstellung mit dem Ziel der Berufung in ein Richteramt und über die Berufung der Richter auf Lebenszeit entscheidet der Richterwahlausschuß. Der Richterwahlausschuß besteht aus vier Mitgliedern, die vom Landtag gewählt werden, je einem richterlichen Mitglied, das von den Richtern jeder Gerichtsbarkeit gewählt wird, einem Mitglied der Landesregierung und Vertretern der Rechtsanwälte.

     (5) Das Nähere regelt das Gesetz.
 

Begründung:
Zu Absatz 1:
Dieser Absatz verbietet die Ausübung richterlicher Tätigkeit durch Richter auf Probe. Die Ausübung des Richteramtes ist nur noch als hauptamtlicher Richter auf Lebenszeit oder als ehrenamtlicher Richter möglich. Die Regelung zieht die notwendige Konsequenz aus dem Gebot der Unabhängigkeit des Richters. Denn ein Richter auf Probe, der jederzeit versetzbar ist und wieder entlassen werden kann, ist kein unabhängiger Richter.

Zu Absatz 2:
Der Absatz setzt für die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit wie auch jetzt schon Art. 127 Abs. 2 HV voraus, daß der Kandidat die Gewähr dafür bietet, daß er das Amt im Geiste der Demokratie und des sozialen Verständisses ausübt. Das setzt neben professioneller juristischer Qualifikation auch gewisse Werthaltungen voraus. Diese Qualifikation muß der Kandidat in seiner bisherigen Tätigkeit nachgewiesen haben, bei der es sich aber nicht um eine richterliche Tätigkeit handeln kann. Die Eignung für das Richteramt läßt sich auch bei Personen feststellen, die zuvor in anderen juristischen Berufen tätig waren. Sollte auf diese Weise der richterliche Nachwuchs nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, ist es auch möglich, bei den Gerichten Hilfsämter für Mitarbeiter eines Richters zu schaffen, wobei diese Mitarbeiter zwar keine selbständigen Entscheidungen treffen dürfen und auch kein Stimmrecht bei einer Kollegialentscheidung haben, sehr wohl aber bei ihrer Tätigkeit auf juristische Qualifikation und demokratisch-soziale Werthaltung erprobt werden können.

Zu Absatz 3:
Die Regelung entspricht dem jetzigen Art. 127 Abs. 4 Satz 1 HV. Antragsberechtigt ist entgegen der jetzigen Regelung neben dem Landtag nicht mehr der Justizminister im Einvernehmen mit dem Richterwahlausschuß, sondern die Landesregierung. Eine Beteiligung des Richterwahlausschusses erscheint insoweit nicht erforderlich.

Zu Absatz 4:
Im Gegensatz zum jetzigen Art. 127 Abs. 3 HV entscheidet über die vorläufige Anstellung von zu erprobenden Kandidaten für das Richteramt oder über die Berufung der Richter auf Lebenszeit nicht mehr der Justizminister zusammen mit dem Richterwahlausschuß, sondern letzterer allein, wobei ein Mitglied der Landesregierung - nicht notwendig der Justizminister - ein gleichberechtigtes Mitglied dieses Gremiums ist. Damit ist die heutige Praxis, daß sich Kandidaten beim Justizminister bewerben müssen und dieser bereits eine Vorauswahl treffen kann, ausgeschlossen. Damit wird der unangemessene die Unabhängigkeit der dritten Staatsgewalt mißachtende Einfluß der Exekutive auf die Rekrutierung des richterlichen Personals zurückgedrängt.

Die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses wird nach unserem Vorschlag durch die Verfassung selbst festgelegt und nicht dem einfachen Gesetzgeber überlassen, was für ein Verfassungsorgan geboten ist. Die Zusammensetzung entspricht einerseits der Idee der richterlichen Verantwortung vor dem Gesetz (4 Vertreter der Legislative), andererseits der Unabhängigkeit der Justiz (4 Vertreter der Richter). Daneben nimmt der Vorschlag die bisherige Tradition auf, indem sowohl der Exekutive als auch der Rechtsanwaltschaft ein gewisser Einfluß zugestanden wird.

Kompatibilität:
Der Vorschlag ist mit Bundesrecht vereinbar. Insbesondere ermöglicht das Deutsche Richtergesetz schon heute die Berufung von Richtern auf Lebenszeit, die zuvor keine Richter auf Probe waren. Zwar wird im Regelfall mindestens ein Jahr Erprobung als Proberichter verlangt, jedoch ist es nicht unüblich, daß in dieser Probezeit keine richterliche, sondern nur eine staatsanwaltliche oder verwaltungsjuristische Tätigkeit ausgeübt wird. Ebenso könnten statusrechtliche Proberichter als unselbständige Mitarbeiter von Richtern bei den Gerichten eingesetzt werden. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 DRiG kann auf den Status des Proberichters aber auch ganz verzichtet werden, wenn besondere Kenntn isse und Erfahrungen vorliegen. Diese könnten gerade als Mitarbeiter eines Richters auch im Angestellten- oder Beamtenstatus erworben werden.

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© by Arbeitsgruppe "Schöne Aussicht" 1998