Art. 72 [Fragerecht; Aktenvorlage]

     (1) Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarischer Anfragen haben die Landesregierung oder ihre Mitglieder im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Die gleiche Verpflichtung trifft die Beauftragten der Landesregierung in den Ausschüssen des Landtages.

     (2) Die Landesregierung hat jedem Abgeordneten Auskünfte zu erteilen. Sie hat dem Landtag und den von ihm eingesetzten Ausschüssen auf Verlangen eines Viertels der jeweils vorgesehenen Mitglieder Akten vorzulegen. Die Auskunftserteilung und die Aktenvorlage müssen unverzüglich und vollständig erfolgen.

     (3) Die Landesregierung kann die Beantwortung von Fragen, die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Akten ablehnen, wenn dem Bekanntwerden des Inhalts gesetzliche Vorschriften oder Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen oder wenn die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtigt werden. Die Entscheidung ist den Fragestellenden oder den Antragstellenden mitzuteilen. Auf deren Verlangen ist die Ablehnung vor dem Parlamentarischen Einigungsausschuß zu begründen. Soweit zwischen dem Parlamentarischen Einigungsausschuß und der Landesregierung keine Einigung erzielt wird, ist die Landesregierung verpflichtet, dem Informationsverlangen unverzüglich zu entsprechen, es sei denn, daß sie eine gegenteilige einstweilige Anordnung des Staatsgerichtshofs erwirkt; bis zur Entscheidung über ihren Antrag besteht keine Antwort-, Auskunfts- oder Vorlagepflicht.
 

Begründung:
Die Vorschriften der Artikel 70 bis 72 sind im wesentlichen inhaltsgleich mit Art. 20, 22 und 23 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.6.1990 (GVOBl. S. 391). Aber auch in den neueren Verfassungen anderer Bundesländer gibt es entsprechende Regelungen (vgl. u.a. Art. 24ff. Verf. Nieders.; Art. 39ff. Verf. Mecklenb-Vorp.; Art. 62 Verf. Sachsen-Anh.). Die Regelung verbessert die parlamentarische Kontrolle gegenüber der Landesregierung und wertet damit die Funktion des Parlamentes beträchtlich auf. In Schleswig-Holstein sind mit der Regelung gute Erfahrungen gemacht worden. Im Unterschied zur Regelung in Schleswig-Holstein sieht der Vorschlag nicht vor, daß das Nähere durch Gesetz zu regeln ist. Zum einen bedarf es zur Durchführung der Regelung keines Gesetzes, zum anderen muß vermieden werden, daß die Anwendung durch Unterlassung der erforderlichen Gesetzgebung von den die parlamentarische Mehrheit stellenden Regierungsfraktion(en) hintertrieben wird.

Kompatibilität:
Kein Widerspruch zu höherrangigem Recht.

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