Art. 54 [Technische Regelwerke]

     (1) Technische Regelwerke sind Rechtsnormen, die im Rahmen des Umweltrechts und des Lebensmittelrechts zulässige Mindeststandards oder Höchstwerte verbindlich regeln.

     (2) Durch Gesetz kann eine Agentur geschaffen und dazu ermächtigt werden, technische Regelwerke zu erlassen. Das Gesetz hat dabei sicherzustellen, daß die Agentur pluralistisch zusammengesetzt ist und die Erstellung der Regelwerke in einem Verfahren erfolgt, das unter öffentlicher Kontrolle und unter Beteiligung von Sachverständigen stattfindet, wobei auch wissenschaftliche Mindermeinungen vertreten sein müssen. Technische Regelwerke sind mit einer Begründung zu versehen.

     (3) Naturschutz- Umwelt- und Verbraucherverbände, die geltend machen, daß die gesetzlichen Verfahrensregeln bei der Schaffung eines technischen Regelwerkes nicht eingehalten worden sind, steht der Rechtsweg offen. Das Nähere regelt das Gesetz.
 

Begründung:
Zu Absatz 1:
Mit dieser Vorschrift wird neben dem Gesetz und der Rechtsverordnung eine neue Kategorie staatlicher Rechtssetzung geschaffen: das Technische Regelwerk. Sinn der Regelung ist es, die Grauzone technischer Regelwerke, die heute schon von entscheidender Bedeutung im Umweltrecht sind (z.B. DIN-Normen, TA Luft, TA Lärm ect.), demokratisch zu legitimieren, sofern sie mit rechtlicher Verbindlichkeit unbestimmte Rechtsbegriffe wie "schädliche Umwelteinwirkungen" (§ 1 BImSchG) näher definieren. Die Vorschrift entspricht einer in der Wissenschaft erhobenen Forderung (vgl. Steinberg NJW 1996, 1993; Susan Rose-Ackerman 1996). Sie macht deutlich, daß technische Regelwerke nicht einfach nur wissenschaftliche Erkenntisse dokumentieren, sondern normativer und damit politischer Natur sind.

Zu Absatz 2:
Da es im Zusammenhang mit der Notwendigkeit technischer Regelwerke nicht möglich ist, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung im Gesetz so eng vorzugeben wie dies bei einer klassischen Rechtsverordnung der Fall ist, kann die Bindung an die Volkssouveränität nur durch die Einschaltung spezieller Verfahren zur Sicherung öffentlicher Kontrolle und pluralistischer Einflußnahme gewährleistet werden, weil anders die Exekutive auf diesem Gebiet weitgehend unkontrollierte autonome Rechtssetzungsmacht entfaltet. Dem dient das Verfahren der Rechtsetzung durch Agenturen.

Zu Absatz 3:
Die öffentliche Kontrolle nach Absatz 2 wird regelmäßig von Natur,- Umwelt- und Verbraucherverbänden wahrgenommen. Diese müssen deshalb auch ein Verbandsklagerecht erhalten, um Verfahrensfehler rügen zu können.

Kompatibilität:
Kein Widerspruch zu höherrangigem Recht.

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© by Arbeitsgruppe "Schöne Aussicht" 1998