Art. 5 [Verfassungsrat]

     (1) Der Verfassungsrat hat zwölf Mitglieder. Vier Mitglieder werden von der Kommunalkammer (Artikel 89) mit einfacher Mehrheit gewählt. Vier Mitglieder werden vom Staatsgerichtshof mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Vier Mitglieder werden vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Mitglieder des Landtages, der Landesregierung, des Staatsgerichtshofs und der Kommunalkammer sind nicht wählbar.Das Nähere bestimmt das Gesetz.

     (2) Die Mitglieder des Verfassungsrates dürfen während eines Zeitraums von acht Jahren nach ihrem Amtsantritt in Hessen kein politisches Amt oder Mandat und kein Amt oder Mandat in einer politischen Partei bekleiden. Sie sind während dieser Zeit unkündbar. Sie erhalten während ihrer Amtszeit eine angemessene Entschädigung. Das Nähere bestimmt ein Gesetz.

     (3) Die Mitgliedschaft im Verfassungsrat ist ein Ehrenamt, dessen Übernahme abgelehnt werden kann. Die Amtszeit der Mitglieder des Verfassungsrates beträgt acht Jahre. Nach 4 Jahren scheidet die Hälfte der Mitglieder aus und wird ersetzt. Nach den ersten vier Jahren dieser Regelung entscheidet das Los über die ausscheidenden Mitglieder, wobei aus jeder der drei Gruppen je zwei Mitglieder ausscheiden. Die Einzelheiten bestimmt der Verfassungsrat in seiner Geschäftsordnung.
 

Begründung:
Der Vorschlag regelt die Rekrutierung und den Status der Mitglieder des Verfassungsrates.

Zu Absatz 1:
Die personelle Zusammensetzung des Verfassungsrates muß gewährleisten, daß einerseits qualifizierte Persönlichkeiten in den Verfassungsrat gelangen, andererseits die Landesregierung und die sie tragende politische Mehrheit keinen beherrschenden Einfluß auf die Zusammensetzung bekommt und die Unabhängigkeit der Mitglieder vom politischen Tagesgeschehen gewährleistet ist. Dieses Ziel läßt sich dadurch erreichen, daß die Mitglieder einerseits zwar von den Verfassungsorganen (mit Ausnahme der Landesregierung) gewählt werden, Mitglieder dieser Organe aber nicht zugleich im Verfassungsrat sitzen dürfen. Der Beschränkung des Einflusses der jeweiligen politischen Mehrheit dient auch die Erforderlichkeit der Zweidrittelmehrheit sowohl im Landtag als auch im Staatsgerichtshof. Um eine Interessenverquickung auszuschalten, dürfen Mitglieder von Verfassungsorganen nicht zugleich Mitglieder des Verfassungsrates sein.

Zu Absatz 2:
Die Mitglieder des Verfassungsrates sollen keine Politiker sein, die bei ihrer Tätigkeit im Verfassungsrat die künftige Tätigkeit in anderen politischen Funktionen im Auge haben können. Sie dürfen keine politischen Machtinteressen verfolgen. Dem dient die Regelung, daß sie für acht Jahre nach ihrem Amtsantritt, unabhängig wie lange sie dem Verfassungsrat tatsächlich angehören, kein anderes politisches Amt und kein Mandat wahrnehmen dürfen.

Zu Absatz 3:
Die Mitgliedschaft im Verfassungsrat sollte ehrenamtlich sein. Eine hauptberufliche Tätigkeit wäre der Bedeutung des Verfassungsrechts auf Landesebene nicht angemessen. Wegen der weitreichenden Einschränkungen für eine politische Tätigkeit der Mitglieder des Verfassungsrates muß jedoch die Möglichkeit bestehen, das Ehrenamt abzulehnen. Das versetzte Ausscheiden der Mitglieder soll die Kontinuität der Arbeit des Verfassungsrates sicherstellen.

Kompatibilität:
Bedenken gegen die Vereinbarkeit des Absatzes 2 mit Bundesrecht könnten als vertretbar angesehen werden. In Betracht kommt insoweit eine Kollision mit Art. 21 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG sowie mit §§ 11, 17 ParteiG.

Aus Art. 21 Abs. 1 GG könnte man, ohne daß der Wortlaut das zwingend nahelegt, folgern, daß eine Landesverfassung niemandem verbieten kann, nach Maßgabe der Parteisatzung ein Parteiamt zu bekleiden. Nach den §§ 11, 17 ParteiG ist es das Recht der Partei, selbst zu bestimmen, wer ein Parteiamt bekleidet oder als Bewerber für ein Mandat aufgestellt wird.

Aus Art. 38 Abs. 2 GG könnte man folgern, daß jeder Volljährige passiv wahlberechtigt ist und insoweit keine Einschränkungen möglich sind. Das könnte zu den demokratischen Grundsätzen gezählt werden, die Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Länder verbindlich macht.

Art. 33 Abs. 2 GG garantiert jedem Deutschen gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt.

Etwaige Bedenken dieser Art sind jedoch leicht ausräumbar. Wie Art 55 und 137 Abs. 1 GG zeigen, ist die Inkompatibilität von Ämtern und von Ämtern und Mandaten in der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes durchaus vorgesehen. Allerdings gilt hier stets, daß Inhaber eines Amtes jederzeit ein anderes Amt oder Mandat annehmen können, damit aber gleichzeitig die alte Position verlieren. Unser Vorschlag sieht zwar vor, daß ein derartiger "Tausch" für eine begrenzte Zeit nicht möglich ist.

Die Rechtsordnung kennt aber auch den Ausschluß von Ämtern und Mandaten ohne einen derartigen Tausch. So kann etwa durch Richterspruch Amtsfähigkeit und Wählbarkeit aberkannt werden (§ 45 StGB; § 15 BWahlO) - und dies, obwohl es hierfür keine verfassungsrechtliche Grundlage oder Ermächtigung gibt. Stattdessen wird für diese Beschränkungen auf die historische Entwicklung verwiesen (vgl. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 38 Rn. 40f.) Nach h.M. in der Staatsrechtslehre und Verfassungsrechtsprechung soll also durch einfaches Gesetz die Amtsfähigkeit und Wählbarkeit ausgeschlossen werden können. Somit können die Grundsätze der Demokratie nicht verletzt sein, wenn die Hessische Verfassung für hessische Ämter und Mandate eine Ausschlußregelung für Mitglieder des Verfassungsrates vorsieht, zumal die Wahl zum Verfassungsrat abgelehnt werden kann und die Beschränkung damit letztlich auf der Zustimmung dessen beruht, der die Wahl annimmt..

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