Art. 22 [Meinungsfreiheit] bisher Art. 9, 11, 18

     Jeder Mensch hat das Recht, jeden Gedanken, jedes Wissen, seine Meinung, seinen Glauben, seine Überzeugungen und seine Kunst frei und öffentlich zu äußern. Dieses Recht findet seine Schranke nur in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend. Es kann außerdem nur durch Gesetz oder aufgrund des Gesetzes und nur zu dem Zweck eingeschränkt werden, die Vertraulichkeit von Informationen zu wahren, die jemand in Wahrnehmung seiner Aufgaben aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis erlangt hat.
 

Begründung:
Das Recht der Meinungsfreiheit wird dahingehend präzisiert, daß es das Recht umfaßt, jeden Gedanken und jede Intuition zu äußern, also nicht nur eine Meinung im Sinne einer wertenden Äußerung, sondern jedes Wissen, jede Überzeugung und jeden Glauben. Mit dem letztgenannten Begriff wird klargestellt, daß die religiöse Glaubens- und Bekenntnisfreiheit Teil der Meinungsfreiheit ist. Darüber hinaus gehört zu dieser Freiheit auch das Recht, eigene künstlerische Werke zu schaffen und zu verbreiten.

Satz 2 integriert den bisher in Art. 18 HV geregelten Jugendschutzvorbehalt in die Grundrechtsnorm selbst.

Satz 3 erlaubt die Beschränkung der Meinungsfreiheit durch Gesetz zum Schutz von Betriebs- und Dienstgeheimnissen.

Die bisherige Regelung des Art. 11 Satz 2 und 3 HV erscheint entbehrlich. Das Verbot der Pressezensur betrifft kein Menschenrecht und ist daher im Abschnitt über die politische Öffentlichkeit (vgl. Art. 46) zu regeln.

Kompatibilität:
Kein Widerspruch zu höherrangigem Recht. Soweit Art. 5 Abs. 2 GG die Meinungsfreiheit durch das Recht der persönlichen Ehre einschränkt gilt dies nach diesem Entwurf ebenfalls, ohne daß ein entsprechender Passus erforderlich wäre. Es folgt nämlich aus dem Grundrecht auf Ehre (Art. 15) i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Satz 2.

Die Kunstfreiheit steht nach Art. 5 Abs. 3 GG unter keinerlei Vorbehalt, also auch nicht unter dem Jugendschutzvorbehalt und unter dem Ehrschutzvorbehalt. Das BVerfG hat indessen die Kunstfreiheit unter einen nicht kodifizierten und auch höchst dunklen Verfassungsvorbehalt gestellt, wonach die "grundgesetzliche Wertordnung" das Grundrecht einschränken kann (vgl. BVerfGE 30, 173, 193). Auf derlei dunkle Kriterien wird der Ausleger der Hessischen Verfassung nach unserem Vorschlag nicht angewiesen sein. Das Kunstgrundrecht findet seine Schranke im Schutz der Jugend und der Ehre. Einen gerichtlich feststellbaren Widerspruch der von uns vorgeschlagenen Kunstfreiheit zur Kunstfreiheit des Grundgesetzes dürfte nicht vorliegen.

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© by Arbeitsgruppe "Schöne Aussicht" 1998