Art. 21 [Fernkommunikationsgeheimnis] bisher Art. 12, 19 Abs. 1

     (1) Das Fernkommunikationsgeheimnis darf von niemandem verletzt werden.

     (2) Das Recht aus Absatz 1 kann nur aufgrund des Gesetzes und nur bei dringendem Verdacht einer schwerwiegenden Straftat durch richterliche Anordnung eingeschränkt werden.
 

Begründung:
Die Arbeitsgruppe ist mehrheitlich der Auffassung, daß das Fernkommunikationsgeheimnis unter den Bedingungen der modernen Zivilisation ein Menschenrecht ist.

Zu Absatz 1:
Der bisherige Art. 12 HV schützt nur das Postgeheimnis. Wir schlagen stattdessen den Begriff "Fernkommunikationsgeheimnis" vor, der nicht nur das Postgeheimnis und auch nicht nur das in Art. 10 GG genannte Brief- und Fernmeldegeheimnis umfaßt, sondern jede Form der Fernkommunikation, also insbesondere auch die Kommunikation mittels der neuen elektronischen Medien wie etwa das Internet.

Zu Absatz 2:
Art. 19 Abs. 1 HV bestimmt bisher, daß bei dringendem Verdacht einer strafbaren Handlung der Richter Eingriffe in das Postgeheimnis anordnen kann. Wir schlagen einen erhöhten Schutz des Fernkommunikationsgeheimnisses dadurch vor, daß wir diese Eingriffe außerdem unter Gesetzesvorbehalt stellen und nur im Falle schwerwiegender Straftaten zulassen wollen.

Kompatibilität:
Der Vorschlag geht insofern über Art. 10 GG und die dazu erlassenen Gesetze hinaus, als ein Eingriff in das Fernkommunikationsgeheimnis stets unter Richtervorbehalt steht und außerdem nur aus präventiven oder repressiven Gründen in Zusammenhang mit einer schwerwiegenden Straftat zulässig sein soll. Damit wird die Regelung des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG insoweit nicht nachvollzogen, als danach die Einschränkung des Grundrechts nur unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt steht. Art. 10 Abs. 2 GG nicht nachvollzogen, wonach das Gesetz bei Beschränkungen, die dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Staates dienen, statt des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane vorsehen kann. Die Erfahrung zeigt, daß schon der einfachgesetzlich vorgesehene Richtervorbehalt in der Praxis kaum eine Filterfunktion hat. Überwachungsanträge werden fast ausnahmslos genehmigt. Ein Parlamentsausschuß dürfte noch weniger in der Lage sein, das Grundrecht vor mißbräuchlichen Eingriffen zu schützen.

Eingriffe in das Fernkommunikationsgeheimnis unter Umgehung des Richtervorbehalts beruhen auf Bundesrecht und sind deshalb durch Landesverfassungsrecht nicht verhinderbar. Der Richtervorbehalt folgt nicht zwingend aus dem Gebot der Menschenwürde. Es besteht insoweit also ein Auftrag an die hessische Landesregierung nach Art. 1, für eine Anpassung des Bundesrechts an die hessische Verfassung zu sorgen.

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© by Arbeitsgruppe "Schöne Aussicht" 1998