B Historische Entwicklung

Im Grundsatz wird ein Notwehrrecht wohl von allen Rechtsordnungen anerkannt.1 Das gilt aber nicht für die Schneidigkeit desselben. Bis zur heutigen Fassung des § 32 hat es eine Entwicklung gegeben, die sowohl von Beschränkungen als auch Ausdehnungen geprägt war.

I. Römisches Recht

Im Römischen Recht sind an verschiedenen Stellen Ansätze eines Notwehrrecht zu erkennen. Das Zwölftafelgesetz erlaubte die Tötung des nächtlichen Diebes - wenn auch nur unter lautem Rufen2 - und in den Digesten3 heißt es "vim vi repellere licet"4.

II. Germanisches und mittelalterliches Recht

Das germanische Recht bedurfte neben der Blutrache und der Fehde keines eigenen Notwehrrechts.5 Im Mittelalter wurde dann versucht, diese Institute zugunsten eines staatlichen Gewaltmonopols zurückzudrängen.6 Eingeschränkt wurde dieses Monopol durch ein Notwehrrecht, etwa im Sachsenspiegel. Zulässig war hiernach aber nur die Verteidigung von Leib und Leben, außerdem mußte die Tat kundgetan werden.7 Der Mainzer Landfrieden gewährte dagegen auch das Recht, "Körper und Güter" zu schützen.8

III. CCC

Die Constitutio Criminalis Carolina kannte ebenfalls ein Notwehrrecht. In Art. 140 findet sich sogar eine Legaldefinition, wonach eine "rechte" Notwehr nur zur Abwehr eines Angriffs auf Leib und Leben zulässig war. Dagegen sollte Nothilfe auch zur Verteidigung von Hab und Gut möglich sein.9

IV. Gemeinrechtliche Wissenschaft

Bis in das 15. Jahrhundert lehnte die gemeinrechtliche Wissenschaft ein Notwehrrecht zur Verteidigung von Sachgütern ab.10 Begründet wurde dies vor allem mit Verhältnismäßigkeitsgedanken.

In der nun folgenden Zeit wurde unter dem Einfluß von Benedict Carpzov das Notwehrrecht ausgeweitet. Die Tötung eines Diebes sollte zulässig sein - als Argument wurde ein Erst-recht-Schluß aus Art. 150 II CCC angeführt.11

V. ALR

Im allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 war in den §§ 517 ff. ausführlich die Notwehr und -hilfe geregelt. Eine Beschränkung auf Leib und Leben war nicht vorgesehen. Allerdings schrieb das ALR eine Geeignetheits-12 und intensive Verhältnismäßigkeitsprüfung13 vor.

VI. Bayerisches StGB von 1813

Das bayrische StGB von 1813 kannte ein sehr viel weiter reichendes Notwehrrecht. Die Verteidigung mußte zwar "notwendig" sein14, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung15 brauchte dagegen nicht zu erfolgen.

VII. Preußisches StGB von 1851

Im preußischen StGB von 1851 taucht schließlich zum ersten Mal die Formulierung "Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich selbst oder Anderen abzuwenden"16 auf.

VIII. StGB des Deutschen Reiches von 1871

Der gleiche Wortlaut17 fand sich dann auch im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871 wieder und ist auch heute noch im § 32 II erhalten geblieben.

IX. Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Notwehrrecht wieder eingeschränkt. Kriterium war hierbei die "gesunde Volksanschauung"18.

Dies galt freilich nicht für uniformierte SA- und SS-Leute, denen es nicht zuzumuten war, sich in eine Balgerei einzulassen, statt dessen konnten sie von der Waffe Gebrauch machen.19

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