Lösungsskizzen

Fall 1

I.   Tatbestandsmäßigkeit
  1.   obj. TB
  a)   fremde bewegliche Sache: (+)
  b)   Wegnahme
  aa)   Bruch fremden Gewahrsams:
"Bruch fremden Gewahrsams" setzt voraus, daß die tatsächliche Sachherrschaft des berechtigen Gewahrsamsinhabers gegen seinen Willen aufgehoben wird. Eine tatsächliche Sachherrschaft hat in der Regel derjenige, dem zur Verwirklichung seines Willens zur physisch-realen Einwirkung auf die Sache unter normalen Umständen keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen. Bei der Bestimmung dieses Gewahrsamsverhältnisses sind die konkreten Umstände des Einzelfalls und die Anschauungen des täglichen Lebens zu berücksichtigen. (Gewahrsam hat hiernach auch der Bauer an dem Pflug, den er auf dem Feld abgestellt hat und der Wohnungseigentümer an der Einrichtung, während er bei der Arbeit ist.)
O ist durch die Handlung von T gegen seinen Willen jede Einwirkungsmöglichkeit auf seinen Koffer entzogen, so daß T den Gewahrsam des O iSd. § 242 gebrochen hat.
  bb)   Begründung neuen Gewahrsams:
T kann ungehindert auf den Koffer einwirken und die tatsächliche Sachherrschaft darüber ausüben. Folglich hat er neuen eigenen Gewahrsam am Koffer begründet.
Damit liegt eine Wegnahme iSd. § 242 vor.
  2.   subj. TB
  a)   T handelte in Bezug auf den Gewahrsamwechsel einer für ihn fremden beweglichen Sache wissentlich (und willentlich).
  b)   Absicht rechtswidriger Zueignung: (+)
Die Absicht rechtswidriger Zueignung muß schon bei der Wegnahme vorhanden sein. Elemente der Zueignungsabsicht sind die Aneignungsabsicht und die Enteignung, für die dolus eventualis ausreicht.
  aa)   Aneignungsabsicht: (+)
Aneignungsabsicht besteht, wenn es dem Täter darauf ankommt, die fremde Sache oder den in ihr verkörperten Wert, dem eigenen Vermögen - wenn auch nur vorübergehend - einzuverleiben und insbesondere für eigene Rechnung wie ein Eigentümer darüber zu verfügen.
  bb)   Enteignungswille: (+)
Enteignungswille ist gegeben, wenn sich der Täter unter endgültiger Ausschließung des bisherigen Eigentümer ganz oder teilweise wirtschaftlich an dessen Stelle setzen will. Die Enteignung muß – im Unterschied zur Gebrauchsanmaßung, wo der Täter nur eine vorübergehende Nutzung der Sache beabsichtigt und diese danach zurückgeben will – auf Dauer angelegt sein.
  cc)   Rechtswidrigkeit der Zueignung: (+)
Die erstrebte Zueignung muß objektiv rechtswidrig sein. Dies ist der Fall, wenn sie objektiv im Widerspruch zur Eigentumsordnung steht. Daran fehlt es aber, wenn ihr ein fälliger einredefreier Anspruch auf Übereignung der weggenommenen Sache zugrunde liegt.
II.   RW: (+)
III.   Schuld: (+)
Ergebnis: T hat sich somit des Diebstahls nach § 242 schuldig gemacht


Fall 2

I.   Tatbestandsmäßigkeit
  1.   obj. TB
  a)   fremde bewegliche Sache: (+)
  b)   Wegnahme
  aa)   Fraglich ist, ob die CDs, die D eingesteckt hat, vorher im Gewahrsam eines anderen standen.
Gewahrsam kann nur eine natürliche Person haben. Dementsprechend darf nicht auf den Gewahrsam der juristischen Person A AG abgestellt werden. Gewahrsam haben in Kaufhäusern vielmehr die Angestellten und der Geschäftsführer (wobei zwischen diesen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung besteht).
Bei kleinen Ladengeschäften hat meistens der Geschäftsherr – auch wenn Angestellte dort beschäftigt sind – Alleingewahrsam an den Waren und dem Geld in der Kasse.
Inwieweit D hier eine eigenverantwortliche Betreuung eines Warensortiments oblag, die ihn zum Mitgewahrsamsinhaber machen würde, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Auf jeden Fall hatte der Geschäftsführer des Warenhauses Gewahrsam an den CDs.
  bb)   Bruch fremden Gewahrsams:
Der Gewahrsam muß dem vorherigen Inhaber gegen seinen Willen entzogen worden sein. Bei einer freiwilligen Weggabe ist dementsprechend ein Gewahrsamsbruch nicht gegeben. Eine zufällige oder planmäßige Beobachtung des Geschehens durch den Bestohlenen oder seine Angestellten stellt aber noch kein Einverständnis dar und steht der Annahme einer Wegnahme iSd. § 242 grundsätzlich nicht entgegen - der Diebstahl ist kein heimliches Delikt!
D hat durch das Einstecken der CDs die ungehinderte tatsächliche Sachherrschaft des Geschäftsführers aufgehoben und somit dessen Gewahrsam gebrochen. Daß K die ganze Sache beobachtet hat, schließt einen Gewahrsamsbruch nicht aus.
  cc)   F müßte außerdem neuen Gewahrsam begründet haben.
Bei kleineren Gegenstände (Schmuck, Geld) wird Gewahrsam schon mit dem Ergreifen oder Festhalten begründet. Bei sonstigen Sachen geringeren Umfangs genügt es regelmäßig, diese einzustecken. Wichtig ist immer eine Wertung nach Herrschaftssphären (»Meine Manteltasche gehört mir!«).
D hat mit dem Einstecken der CDs in die eigene Manteltasche neuen Gewahrsam begründet und damit eine vollendete Wegnahmehandlung iSd. § 242 begangen. Auch, daß er die Sachen später wieder ins Regal zurückstellt, ändert hieran nichts.
  2.   subj. TB
  a)   F handelte in Bezug auf die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache vorsätzlich.
  b)   Absicht rechtswidriger Zueignung:
D beabsichtigte, über die CDs zu verfügen, als habe er sie gekauft und sei damit Eigentümer geworden. Es war ihm auch klar, daß der bisherige Eigentümer dadurch auf Dauer aus seiner Position verdrängt würde. Ferner hatte D auch keinen Anspruch auf Übereignung der CDs. Eine Absicht rechtswidriger Zueignung lag somit im Zeitpunkt der Wegnahmehandlung vor.
Dem steht auch nicht entgegen, daß sie die CDs später wieder ins Regal zurückstellt. (Der Diebstahl ist ein sog. "erfolgskupiertes Delikt".)
II.   RW: (+)
III.   Schuld: (+)


Fall 3

TB
    obj. TB
    a)   fremde bewegliche Sache: (+)
    b)   Wegnahme
Gewahrsamsbruch:
Für den das Vorliegen eines Gewahrsamsbruchs muß eine Entziehung der Sachherrschaft gegen den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers vorliegen. Hier ist I aber mit dem Tun des F einverstanden, so daß ein Gewahrsamsbruch auszuschließen ist.
F hat sich somit nicht nach § 242 strafbar gemacht. Es kommt allerdings eine Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls iSd. §§ 242, 22, 23 I in Betracht.


Fall 4

I.   Tatbestandsmäßigkeit
  1.   obj. TB
  a)   fremde bewegliche Sache: (+)
  b)   Wegnahme: (+)
  aa)   Gewahrsam:
Gewahrsamsinhaber kann nur eine natürliche Person sein. Juristische Personen und Behörden als solche haben keinen Gewahrsam. Träger der Sachherrschaft und des Gewahrsamswillens ist bei ihnen das jeweils zuständige Organ, der Behördenleiter, ein sonstiger Amtsträger oder ein mit der Herrschaftsausübung betrauter Angestellter.
Innerhalb des räumlich fest umgrenzten Bereichs des JVA kann man davon ausgehen, daß zumindest der Anstaltsleiter als Organ der Anstalt oder ein sonstiger zuständiger Angestellter der JVA Mitgewahrsam an der Kleidung hatte. Der Schlüssel stand im Alleingewahrsam des V.
  bb)   Gewahrsamsbruch und Begründung neuen Gewahrsams:
  (1)   beim Schlüssel: (+)
  (2)   bei der Kleidung (durch die Flucht): (+)
  2.   subj. TB
  a   Vorsatz bzgl. der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache: (+)
  b)   Absicht rechtswidriger Zueignung:
  aa)   Aneignungsabsicht:
  (1)   bzgl. des Schlüssels: (+)
Bei der Wegnahme des Schlüssels kommt es dem G darauf an, diesen später wie der Eigentümer zu benutzen und sich hierdurch die Flucht zu ermöglichen.
  (2)   bzgl. der Anstaltskleidung: (-)
Mit seiner Flucht und der damit verbundenen Wegnahme der Gefängniskleidung bezweckte G nicht, sich in eine eigentümerähnliche Position in Bezug auf die Kleidung zu bringen, sondern das Tragen der Sachen war für ihn eher ein notwendiges Übel, um nicht nackt herumlaufen zu müssen. Eine Aneignungsabsicht ist hierfür also auszuschließen.
  bb)   Enteignungswille (für den Schlüssel): (+)
Indem er den Schlüssel in einen Fluß warf, nahm G billigend in Kauf, daß der Eigentümer (die JVA) auf Dauer aus ihrer Eigentümerposition verdrängt wurde.
  cc)   Rechtswidrigkeit der Zueignung: (+)
II.   RW: (+)
III.   Schuld: (+)


Fall 5

I.   Tatbestandsmäßigkeit
  1.   obj. TB
  a)   fremde bewegliche Sache: (+)
  b)   Wegnahme: (+)
  aa)   Gewahrsam:
Die Beurteilung der Gewahrsamsverhältnisse hängt nicht unbedingt, jedenfalls nicht allein von der körperlichen Nähe zur Sache ab. Einmal begründeter Gewahrsam wird durch eine bloße Lockerung der Herrschaftsbeziehung und eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt nicht beeinträchtigt. Der Inhaber eines räumlich umgrenzten Herrschaftsbereichs hat in der Regel den Willen, die tatsächliche Gewalt über alle Sachen auszuüben, die sich innerhalb dieser Gewahrsamssphäre befinden und an denen kein Sondergewahrsam Dritter besteht.
Obwohl O nicht zu Hause ist, hat er nach wie vor Alleingewahrsam an seinem Sparbuch.
  bb)   Gewahrsamsbruch und Begründung neuen Gewahrsams: (+)
Indem er das Sparbuch aus der Schublade nahm und damit zur Bank ging, hat A - zumindest vorübergehend - den Gewahrsam des O gebrochen und eigenen begründet.
  2.   subj. TB
  a)   Vorsatz bzgl. der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache: +
  b)   Absicht rechtswidriger Zueignung:
Problematisch erscheint hier, daß sich A das Sparbuch der Substanz nach nicht in das eigene Vermögen einverleiben will, sondern dieses nachher wieder zurücklegt.
  aa)   Wenn man das Wesen der Zueignung in der Anmaßung einer eigentümerähnlichen Machtstellung durch die Betätigung des Willens sieht, die fremde Sache ihrer Substanz nach zu gewinnen und sie unter Ausschluß des Berechtigten den eigenen Zwecken dienstbar zu machen sieht (Substanztheorie), kommt man hier zu dem Ergebnis, daß mangels Zueignungsabsicht kein Diebstahl, sondern eine bloße Gebrauchsanmaßung vorliegt.
  bb)   Man könnte aber auch darauf abstellen, ob die Sache dem in ihr verkörperten wirtschaftlichen Wert nach in das eigene Vermögen einverleibt werden soll (Sachwerttheorie).
  cc)   Heute herrschend ist die Vereinigungstheorie1, hiernach ist das Wesen der Zueignung darin zu erblicken, daß der Täter die Sache oder den in ihr verkörperten Sachwert mit Ausschlußwirkung gegen den Eigentümer dem eigenen Vermögen einverleibt.
A will sich den im Sparbuch verkörperten Wert - zumindest teilweise - verschaffen und den Berechtigten, seinen Onkel O, auf Dauer davon ausschließen, so daß hiernach eine Absicht rechtswidriger Zueignung zu bejahen wäre.
  c)   Rechtswidrigkeit der Zueignung: (+)
II.   RW: (+)
III.   Schuld: (+)


Fall 6

Hier ist der wirtschaftliche Wert nicht in der Karte verkörpert. Vielmehr dient die Karte als Schlüssel zum Geldautomaten. Diebstahl scheidet demnach aus. Die Rechtsprechung hat sich mit diesen Fällen früher sehr schwer getan, heute ist eine Strafbarkeit aus § 263a oder 266b gegeben.

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