Obstdiebe (nach RGSt 55, 82)

Der Angeklagt (A) hat in seiner Hütte mit einem geladenen Schrotgewehr nachts Wache über seine Obstbäume gehalten. Er bemerkte einen Mann, der Obst von den Bäumen entwendeten. Als der Angeklagte ihm etwas zurief, ergriff er mit samt des Obstes die Flucht. Daraufhin forderte A den Dieb (D) auf, stehen zu bleiben, ansonsten werde er schießen. Nachdem der Dieb auf diese Drohung nicht reagierten, schoß A und verletzte den Dieb nicht unerheblich.
Strafbarkeit des A?

A kann sich wegen Körperverletzung nach § 223 I strafbar gemacht haben, indem er auf D schoß.
I.1.   Er muß dann einen anderen Menschen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt haben.
[[Hier fehlt eigentlich ein neuer Obersatz, aus sprachlichen Gründen, fällt er hier weg.]]
  a)   Unter körperlicher Mißhandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, durch die das spätere Opfer in seinem körperlichen Wohlbefinden in mehr als nur unerheblicher Weise beeiträchtigt wird, zu verstehen.
Schußverletzungen rufen in aller Regel schlimme Schmerzen hervor. Diese Schmerzen beeinträchtigen das körperliche Wohlbefinden in erheblichem Maße.
Der Dieb wurde folglich körperlich mißhandelt.
  b)   Fraglich ist weiter, ob das Opfer auch an der Gesundheit beschädigt wurde.
Hierunter versteht man jedes Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes.
Durch den Schuß wurde der Dieb schwer verletzt. Solche Verletzungen führen stets zu einem pathologischen Zustand.
Der Dieb wurde demnach an der Gesundheit beschädigt.
  c)   Die Verletzungsfolgen müssen weiterhin kausale Folge des von A abgefeuerten Schusses sein.
Kausal ist jede Handlung, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne daß der konkrete Erfolg entfiele.
Hätte A nicht auf den Dieb geschossen, wäre dieser auch nicht verletzt worden.
Der Schuß war somit kausal für die Verletzungsfolgen.
  d)   Fraglich ist schließlich, ob der Verletzungserfolg dem A auch objektiv zurechenbar ist.
Dies ist der Fall, wenn durch die Handlung des Täters eine mißbilligte Gefahr in Bezug auf das Opfer geschaffen worden ist, die sich schließlich im Erfolg realisiert hat.
Durch die Abgabe des Schusses hat A die Möglichkeit schwerer Verletzungen bei seinem Opfer eröffnet.
Sein Verhalten war daher rechtlich mißbilligt.
Die von A abgefeuerte Kugel hat den Dieb getroffen und ihn schwer verletzt. Im Körperverletzungserfolg hat sich somit genau die Gefahr realisiert, um deren Willen das Schießen auf Menschen verboten ist.
Der Körperverletzungserfolg ist A folglich auch objektiv zurechenbar.
 

{{Der obj. Tatbestand könnte auch kürzer formuliert werden. Die langen Ausführungen zu Kausalität und obj. Zurechnung hätten bei einem derart klaren Sachverhalt auch kürzer ausfallen können. Tatbestandsmerkmal, Kausalität und obj. Zurechnung hätten auch verkürzt folgendermaßen formuliert werden können:
  a)   Unter körperlicher Mißhandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, durch die das spätere Opfer in seinem körperlichen Wohlbefinden in mehr als nur unerheblicher Weise beeiträchtigt wird, zu verstehen.
A hat auf den Dieb geschossen. Er damit eine mißbilligte Gefahr in Bezug auf die Körperintegrität des Opfers geschaffen, die sich dann auch in Form einer schweren Verletzung des Diebes realisiert hat. Hierdurch hat er das körperliche Wohlbefinden des Opfers mehr als nur unerheblich beeinträchtigt.
[[oder noch kürzer: A hat auf das Opfer geschossen, getroffen und es hierdurch schwer verletzt. Hierdurch hat er das körperliche Wohlbefinden des Opfers mehr als nur unerheblich beeinträchtigt.]]
  b)   ....}}

  2.   Ferner muß A vorsätzlich gehandelt haben.
Dies ist der Fall, wenn A bei der Vornahme des tatbestandsmäßigen Verhaltens die tatbestandsspezifische Unwertd valign="top"imension seines Verhaltens kannte und dennoch (willentlich) gehandelt hat.
A kam es darauf an, den Dieb fluchtunfähig zu schießen. Es hat folglich erkannt, daß er sein Opfer schwer verletzten könnte und hat es hierauf auch angelegt und trotz der erkannten Gefahr geschossen.
A handelte somit vorsätzlich.
  A hat damit den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 223 I erfüllt.
II.   Fraglich ist allerdings, ob die Tat auch rechtswidrig war.
Rechtswidrig ist eine Tat, wenn keine - geschriebenen oder ungeschriebenen - Rechtfertigungsgründe vorliegen.
Hier kann A durch Notwehr gerechtfertigt sein.
Es muß dann eine Notwehrlage vorlegen haben, und As Schüsse müßten eine Notwehrhandlung gewesen sein.
[[Obersatz entfällt]]
  1.   Die Notwehrlage wird durch einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff gekennzeichnet.
[[Obersatz entfällt]]
  a)   Angriff ist hier jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen.
Das spätere Opfer hatte im Garten des A Obst entwendet und waren damit am Fliehen. Es hat hierdurch in das Eigentum und den Besitz des A eingegriffen. Beides sind rechtlich geschützte Positionen.
Ein Angriff liegt daher vor.
  b)   Fraglich ist allerdings, ob er auch gegenwärtig war.
Gegenwärtig ist der Angriff, wenn er unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch fortd valign="top"auert.
A schoß auf den Dieb während dieser mit dem Obst flüchteten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Dieb die Beute noch nicht gesichert. Der Angriff auf Eigentum und Besitz des A dauerte folglich noch an
und war deshalb gegenwärtig.
  c)   Schließlich muß der Angriff auch rechtswidrig gewesen sein.
Rechtswidrig im Sinne des Notwehrrechts ist der Angriff, wenn er im Widerspruch zu den Normen des Rechts steht.
Der Dieb hatten keinen Anspruch oder Recht, das Obst des A an sich nehmen zu dürfen. Sein Verhalten stand damit im Widerspruch zum Recht.
Der Angriff war folglich auch rechtswidrig.
  Für A lag somit ein gegenwärtiger und rechtswidriger Angriff vor, der eine Notwehrlage begründen hat.
  2.   Es fragt sich aber, ob die Schüsse auch eine erforderliche und gebotene Verteidigung waren - ob also eine Notwehrhandlung vorliegt.
[[Definition entfällt, es werden gleich die einzelnen Merkmale definiert.]]
[[Obersatz fehlt]]
  a)   Erforderlich ist diejenige Verteidigungshandlung, die einerseits geeignet ist, den Angriff sofort und endgültig zu beenden und andererseits das relativ mildeste Gegenmittel darstellt.
A hatte den Dieb zunächst angerufen und schließlich den Schußwaffengebrauch angekündigt. Der Täter ließ sich hierdurch jedoch nicht beeindrucken sondern flüchtete mit der Beute. Um ihn an einer weiteren Flucht zu hindern, blieb A kein anderes Mittel als der Schußwaffeneinsatz. Nur ein gezielter Schuß konnte sicherstellen, daß der Obstdieb nicht doch noch mit dem Obst davon kamen.
Der - nicht auf eine Tötung zielende - Schußwaffeneinsatz war folglich ein geeignetes und hier auch das mildeste Mittel um den Dieb endgültig zu stoppen.
  c)   Bedenken können jedoch in Hinblick auf die Gebotenheit bestehen.
Eine Notwehrhandlung ist nicht geboten, wenn sie sozial-ethisch zu mißbilligt ist.
Problematisch erscheint hier, daß A lediglich ein relativ geringer Verlust von Obst drohte - nämlich gerade soviel, als ein flüchtender Mann tragen konnte -, er hierfür aber einen Menschen schwer verletzt hat. Zwischen der drohenden Verletzung und dem durch A verletzten Rechtsgut besteht also ein krasses Mißverhältnis.
Man könnte nun meinen, dies sei zumindest dann kein Problem, wenn der Angreifer - wie hier - voll deliktisch handelt und es in seiner Macht steht, den Angriff jederzeit zu beenden.
Hiergegen muß allerdings angeführt werden, daß eine Verteidigung des Rechts um jeden Preis nicht im Sinne der Rechtsordnung sein kann. Eine Zulassung von Notwehr "um jeden Preis" würde ferner gegen die, die gesamte Rechtsordnung durchdringenden Gedanken der Verhältnismäßigkeit und des Rechtsmißbrauchs verstoßen. In Fällen eines krassen Mißverhältnisses zwischen Angegriffenem und verletztem Gut, ist also eine Einschränkung des schneidigen Notwehrrechts vorzunehmen.

As Schuß auf den mit Obst fliehenden Täter war somit nicht geboten.
  A kann sich bei seiner Tat demnach nicht auf Notwehr berufen.
Weitere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.
A handelte folglich rechtswidrig, als er auf den Dieb schoß.
III.   Schließlich muß A schuldhaft gehandelt haben.
Gründe, die schuldhaftem Handeln entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.
A hat sich folglich nach § 223 I strafbar gemacht.


In der Klausur wären jetzt noch Qualifikationen zu prüfen.


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